Seit mehr als 40 Jahren erforscht Heide Göttner-Abendroth matriarchale Gesellschaften in der Gegenwart und Vergangenheit und gilt mit dem dreiteiligen Band „Das Matriarchat“ als Begründerin der modernen Matriarchatsforschung. Mit ihrem interdisziplinärem Forschungsansatz findet sie Parallelen in den Lebensweisen von egalitären Friedens-Gesellschaften weltweit, die nach ihren Erkenntnissen die ältesten Formen des menschlichen Zusammenlebens darstellen.

Anfang 2023 erschien nun ihr von vielen lang ersehntes Werk „Symbolik von Erde und Kosmos“ zur matriarchalen Spiritualität und Weltanschauung. Ihr war es wichtig, diese nicht nur in fernen Gesellschaften zu suchen, sondern „die Spuren unserer eigenen spirituellen Tradition in unserem Kontinent Europa wieder aufzufinden und zum Leben zu erwecken.“ Deshalb gibt dieses Buch auch eine Praxis wieder.

Heide Göttner-Abendroth macht deutlich, dass sich die matriarchale Spiritualität von den herrschenden Weltreligionen diametral unterscheidet. Denn diese kennen keinen männlichen Gott, der irgendwo fernab von den Menschen getrennt existiert, zu dem aufgeschaut und der angebetet wird, sondern die matriarchale Spiritualität bezieht sich auf die Welt - Erde und Kosmos – die greifbar, erfahrbar und überall anwesend ist, im kleinsten Grashalm und im weitest entfernten Stern. Mutter Erde, diese universale Göttin, wird als weiblich-göttlich betrachtet, denn sie ist es, aus der alles geboren wird. Sie wird geehrt, und mit Ritualen und Symbolen wird mit ihr kommuniziert, um die Balance zwischen Menschen und Natur wieder herzustellen für eine friedliche Weiterentwicklung.

Im ersten Teil des Buches schreibt sie ausführlich über die von ihr mit verschiedenen Frauengruppen an der Akademie HAGIA entwickelten acht matriarchalen Mysterienfeste, die dem Jahreskreis folgen und die Wunder des Lebens feiern: „die Geburt, das Wachstum, die Liebe, das Reifen, den Tod und die Umwandlung und Wiedergeburt.“ Damit erweckt sie die Relikte matriarchaler Kultur und spiritueller Traditionen in Europa wieder zum Leben, die unsere vor-patriarchalen Ahninnen und Ahnen mit großen Zeremonien und Volksfesten gefeiert haben. Diese Traditionen wurden mit der Inquisition und den Hexenverbrennungen in der Neuzeit fast ausgelöscht. Anhand praktischer Anleitungen zur Gestaltung der großen Zeremonien und mit zahlreichen spirituellen Texten und Fotos werden die acht Feste im Jahreskreis wieder lebendig, und es wird für uns möglich, sie in die eigene Lebenspraxis zu bringen.

Dabei versteht Heide Göttner-Abendroth die Feier der neuen matriarchalen Mysterienfeste auch als heilend, denn: „sie bewegen sich auf der Ebene des überpersönlichen großen Ganzen der Natur… dieses Aufgehoben sein in dem, was größer ist als wir selbst, wirkt überaus heilend im spirituellen Sinn“.

Im zweiten Teil des Buches erschließt sie die Feste der Lebensstadien, die mit dem Jahreskreis parallel gesehen werden: „Wie die Vegetation im Frühling neu erwacht, im Sommer groß wird und blüht, im Herbst Früchte trägt und dann welkt und stirbt, so folgt auch das menschliche Leben dem Zyklus von Erwachen und Wachsen in der Jugend, Erblühen und Früchtetragen im Erwachsenensein, Welken und Sterben im Alter.“ Mit diesem Wissen ausgestattet ist es uns möglich, die ursprünglichen Lebensstadienfeste, die heute zum großen Teil in kirchlicher Hand liegen, Schritt für Schritt wieder in die eigene Verantwortung zu nehmen.

Im dritten Teil des Buches analysiert sie die Tarotkarten nach kulturhistorischen Aspekten und versteckter matriarchaler Symbolik und enthüllt in ihnen die geheime „Bilderbibel des uralten matriarchalen Weltbildes in Europa“. Damit bewahrten die Frauen und Männer der Unterschichten und der Randkulturen die Weisheit vom Wirken der Göttinnen noch lange in der patriarchalen Epoche. Im Licht ihres Wissens gelesen macht Heide Göttner-Abendroth uns die Symbolik der traditionellen Tarotkarten als einen weiteren matriarchalen Baustein wieder zugänglich.

Im vierten Teil führt sie die Wurzeln der heutigen Astrologie auf die Lehre einer ursprünglich matriarchalen Kosmologie zurück, die den Zusammenhang von Kosmos, Erde und Menschenwelt darstellt und deren Anfänge bis in die Jungsteinzeit zurückreichen. Damit zeigt die matriarchale Astrologie einen tieferen Sinn jenseits von Formalismus und Psychologisieren, und astrologisch-symbolische Zuordnungen werden überraschend elementar verständlich, denn sie werden vom Kopf auf die Füße gestellt.

Der Wiederentdeckung und der Praxis der europäischen matriarchalen Spiritualität schreibt Heide Göttner-Abendroth nicht zuletzt eine politische Dimension zu, denn „patriarchale Religionen transportieren patriarchale Weltbilder und Werte, sie haben Frauen und die sinnliche Welt tief herabgewürdigt. Dort nicht mehr dabei zu sein schwächt diese Religionen und stärkt zugleich unsere selbstständige, spirituelle Entwicklung.“


Zum Buch:

Herausgeberin: Christel Göttert Verlag; 1. Auflage 2023 (28. Februar 2023)
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: ‎ 562 Seiten
ISBN-10: ‎ 3939623849
ISBN-13: ‎ 978-3939623847
Abmessungen: ‎ 16.6 x 2.9 x 23.4 cm

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